@Timonidas Ich hab noch mal über die tulamidischen Mystiker nachgedacht und bin da noch weiter dran (vielleicht ist ja was Interessantes für dein Projekt dabei).
Der Fokus liegt dabei auf Feqz und Radscha. Als Vorlage habe ich den Sufismus genommen. Natürlich erfolgten starke inhaltliche Anpassungen. Ausserdem kenne ich mich abseits derer lyrischer Werke eher schlecht als recht aus, so dass häufiger auch mal Wikipedia und Co. aushelfen mussten :/ und zuletzt musste ich noch einige Stilblüten der Redaktion wie Dämonenbeschwörung und Götterglauben etc. verwurschteln. Anbei meine ersten Ideen, ich hoffe es liest sich dennoch konsistent:
Mystik
Wo die Liebe ist, gibt es kein Ich. Für die Geliebte ist alles nur das Du.
Der Weg zur Göttin ist der Verlust des Selbst.
Erfreue dich, meine Göttin, an deinen Liebenden!
Geheiligt sei ihr Tod! Ein Festschmaus sei deine Schönheit für sie!
In deiner Glut mögen wie Weihrauch ihre Seelen brennen.
-In Anlehnung an Dschalāl ad-Dīn Muhammad Rūmī, persischer Sufi-Mystiker
Viele tulamidische Geweihte sind Anhänger einer mystischen Interpretation ihres Glaubens, und auch wenn es viele verschiedene Glaubensrichtungen und Götter gibt, so gibt es dennoch auch Gemeinsamkeiten die bei den meisten Kulten auftreten.
Ziel eines Mystikers ist es zu Lebzeiten mit seiner Seele eins mit seinem Gott zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen ist es notwendig sein inneres Selbst überhaupt zu erkennen, es von den „irdischen Fesseln“ zu lösen und mit seiner Seele den Weg zum Göttlichen zu beschreiten. Der Mystiker denkt nicht, dass er gerade einen Aspekt seines Gottes wahrnimmt, sondern dass Gott und Aspekt eins und gleich sind, dass sein Gott da ist, wo sein Wirken ist. Und so wie sein Gott überall ist, so will auch er mit seiner Seele mit ihm verschmelzen und Bestandteil des Kosmos sein.
Es ist schwer sich vorzustellen, eins mit Feqz zu sein, lehrt er uns doch stets unseren eigenen Pfad zu beschreiten, dass zu nutzen, welches das Licht des Juwels unserer Seele erst ausmacht. Doch wenn du verstanden hast, dass der Nachthimmel sich von der Finsternis erst durch das Licht der Gestirne unterscheidet und dass das reine Licht des Nachthimmels aus der Summe aller Gestirne besteht, dann wirst du verstehen, dass Stern und Nachthimmel gleich sind und dennoch nicht dasselbe und dass das eine ohne den anderen nicht sein kann ohne den Wert beider zu mindern.
- Ein verhüllter Nachtschatten zu seinem Schüler, Rashdul, 999 BF
So wie der Wind in dieser Welt
er bläst und hebt den Rand des Teppichs
und die Matten werden unruhig und bewegen sich.
Er wirbelt Abfall und Strohhälmchen in die Luft,
lässt das Wasser des Teiches wie einen Kettenpanzer aussehen
und Zweige und Bäume und Blätter tanzen und löscht die Lampen.
Er lässt das halb verbrannte Holz aufflackern und schürt das Feuer.
All diese Zustände erscheinen unterschiedlich und verschieden;
doch vom Gesichtspunkt des Objekts und der Wurzel und der Realität sind sie nur eines, denn die Bewegung kommt von einem Wind.
-Rumi
Von den Zuständen der Seele
Alle Mystiker sind sich einig, dass die Verschmelzung mit seiner Gottheit ein langwieriger Prozess ist, in dem die Seele verschiedene Stadien durchläuft. Wie viele und welche Stadien dies sind, darüber ist man sich dagegen weniger einig. Es gibt jedoch einige Zustände, die auch hier in fast allen Religionen vorkommen und damit das Grundgerüst bilden und durch kircheneigene Zustände dann ergänzt werden. Die kirchenunabhängigen Zustände der Seele sind:
- Nafs al’Ammara: Die Seele die zum Übel anstiftet. In diesem Zustand ist das Lebewesen völlig seinen Gelüsten und seiner Gier verfallen und wird durch diese kontrolliert. Viele Kirchen weigern sich hier überhaupt noch von einer Seele zu sprechen oder vergleichen diese Seelen gar mit Dämonen. Allgemein geht man davon aus, dass Paktierer, die ihren Willen verloren haben diesen Seelenzustand erreicht haben. Einige Kirchen behaupten jedoch, dass wenn man die Gier dieser Seele nutzt und für gute Zwecke einsetzt, die Seele wieder reingewaschen und zu einer Nafs al’Lawwama aufsteigen kann. Eine gerade bei Dämonenbeschwörern sehr beliebte und verbreitete Lehre.
- Nafs al’Lawwama: Die tadelnde Seele. In diesem Zustand ist man immer noch Opfer seiner Gier und Gelüste, ist sich aber seines Fehlverhaltens bewusst und ist zu Zeiten bemüht, diese zu bekämpfen. Der Kampf gegen dieses innere Selbst, ist ein zentraler Bestandteil des mystisch orientieren Glaubens. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die einfache Bevölkerung diesen Seelenzustand innehat.
- Nafs al’Mulhima: Die inspirierte Seele. Diese Seele hat mindestens einmal eine intensive Berührung mit der Göttlichkeit erfahren. Durch Übung ist es ihr möglich diesen Zustand erneut zu erreichen, aber es bleibt nur bei einer Berührung und keiner Vereinigung. Allgemein geht man davon aus, dass alle Geweihte mindestens diesen Seelenzustand erreicht haben.
- Nafs al’Mutma’Inna: Die zufriedene, die befriedete Seele. Wer diesen Zustand erreicht ist im Wesentlichen vor seinen Gelüsten und seiner Gier gefeit und kann sie bewusst kontrollieren. Durch intensive Einblicke in die Göttlichkeit ist die Seele von der Göttlichkeit, die überall wirksam ist, überzeugt und sein Gottvertrauen nimmt ihr die Angst. Wer diesen Zustand erreicht, so sagt man, steigt nach seinem Ableben in das Paradies seines Gottes auf.
- Nafs as’Safya: Die reine Seele. Dieser Seelenzustand ist eher Gegenstand von Legenden und wird nur sehr wenigen lebenden Menschen nachgesagt. In diesem Zustand ist die Seele völlig eins mit ihrem Gott, immer und zu jeder Zeit. Allgemein wird dieser Seelenzustand Auserwählten, Alveraniaren oder wahrhaft Heiligen nachgesagt.
Von den Pfaden der Spiritualität
Von allen Menschen dieser Welt gelang es nur einem Feqz näher zu sein, als Mharbal al’Tosra, die neunfach gepriesene Stimme des Mondes. Al’Tosra war einst selbst ein Erhabener Fasars, doch auf seinem Pfad zu Feqz ließ er alle materiellen Güter und auch seine Macht über die altehrwürdige Stadt hinter sich. Wer der eine ist, der Feqz noch näher ist? Nun er ist denn letzten Schritt gegangen, den Al’Tosra noch nicht gegangen ist und ist nun verborgen wie der Neumond, Fremder…
-Gehört auf dem Basar in Al‘Suq (Fasar) 1026 BF
Ist man sich schon bei den verschiedenen Stadien uneinig, werden über die Pfade, wie man diese Zustände erreicht, wahrhaft hitzige Diskussionen geführt. Der häufigste Pfad besagt, dass man weltlichem Besitz entsagen muss, um die diesseitigen Fesseln zu lösen. Auch gibt es Stimmen, die behaupten sich aus größeren Gemeinschaften zurückzuziehen und bspw. in entlegenen Bergklöstern Spiritualität zu erlangen, aber auch hier gibt es Gegenstimmen, die das genaue Gegenteil fordern, die postulieren, dass Glaube erst durch praktisches Handeln gelebt werden kann:
Im Namen des Feqz, der reinen Seele und des Verstands. Als die Welt noch jung und die Götter uns nah waren, da schenkten die Götter einem jungen Paar zwei Söhne, die an Anmut, Kraft und Verstand ihresgleichen suchten. Und sie wuchsen heran und ihre Kraft wurde nur von ihrem Verstand, weit wie der Nachthimmel, überflügelt. Doch der eine Brüder Soheil gerufen, wollte die irdische Welt hinter sich lassen und stieg herauf zum heiligen Berg Djer Tulams, um den Götter so nah zu sein, wie die ersten Menschen es waren. Und sein Geist weitete sich und er gebat über die Stürme und Felsen. Sein Geist war von solcher Heiligkeit erfüllt, dass allein sein Wort einen Ifriit bezwang und dieser ihm fortan als Reittier diente. Von allen Lastern dieser Welt befreit, wollte er seinem geliebten Bruder das gleiche widerfahren lassen und stieg hinab, wo sein Bruder mittlerweile ein angesehener Schmuckverkäufer geworden war. Und die Menschen verbeugten sich vor ihm, der so augenscheinlich von der Macht der Götter erfüllt war und dem sich selbst die Ifritiim unterwarfen. Als sein Bruder ihn erblickte, da füllten heiße Tränen ihm sein Gesicht und er küsste ihm die raue Hand und Wangen und bat ihn Gast zu sein in seinem Haus. Er bat ihn nur kurz acht zu geben, die Kostbarkeiten seines Geschäfts zu hüten, dass seine Frau dem Bruder ein Mahl bereite dass ihm würdig sei und war schnellen Schrittes entwunden. Soheil erblickte all die Schätze, die das Dunkle des Raums in buntes Licht hüllten und ihm war als entschwanden ihm die Sinne. Kaum hatte er sich an diesen Anblick gewöhnt, da trat eine Frau ein vom Wuchs einer Zypresse, deren Lippen vom Feuer des Sonnenaufgangs gezeichnet waren und sie bat Anteil zu haben an der Schönheit des Geschmeides. Und als er, der auf Steinen genächtigt hatte, ihre Haut weich wie das Blatt einer Rose berührte, da flog der Vogel seines Verstands in den weiten Himmel hinfort und er beschenkte sie reichlich mit feurigem Geschmeide, um das Licht ihrer Erscheinung zu mehren. Doch als sie fort war, da bemerkte er, welch treuloser Bruder er doch war, der seine Gelüste mit dem Wohlstand seiner Familie bezahlt hatte und Scham ergriff ihn. Seine Heiligkeit war entschwunden und auf der Straße vernahm man Gebrüll und Angstgeschrei, denn der Ifriit war nun keiner Heiligkeit Unterworfener mehr und fiel über die Bevölkerung her. Es war das Wirken des anderen Bruders, dass keiner zu Schaden kam und der Ifriit wieder in die Finsternis entschwand. Als er seinen beschämten Bruder antraf, da nahm er ihn in den Arm und sprach: Schau in Zukunft nicht auf deinen Bruder herab, der sich ein jeden Tag den Versuchungen dieser Welt stellt. Es fällt leichter den Versuchungen zu entsagen, wenn man ihnen nicht täglich ausgesetzt ist, doch nun lass uns speisen, denn der Mensch findet Erfüllung im Beisein der Götter doch einen vollen Magen im Kreise seiner Liebsten.
-Alte Erzählung tulamidischer Feqzanhänger
Allgemein wird viel darüber philosophiert, ob es zweckdienlich ist, wenn man nur für sich Spiritualität erlangt oder auch andere daran teilhaben lassen soll (von Letzterem sind die meisten Radschagläubigen überzeugt) und ob es gar lohnenswert ist, die höchsten Stufen der Seele im diesseitigen Leben zu erlangen (was viele Pragmatiker bezweifeln). Einig ist man sich darüber, dass man die höheren Stufen der Seele nur dann erreicht, wenn man weder aus Angst vor der Verdammnis noch aus der Erwartungshaltung ins Paradies zu gelangen, handelt. Denn die Motivation sollte immer aus der Liebe zu seinem Gott und seinen Prinzipien entwachsen. Viele Mystiker sind realistisch genug und sich auch bewusst, dass sie die höchste Stufe nie erreichen werden, was sie aber nicht als Makel empfinden.
Und noch als Beschreibungstext zur Intitiation (Beispiel steht ja oben)
Die Initiation
Die Initiation ist für viele Menschen das erste bewusste Mal, wo sie selbst Ziel göttlichen Wirkens sind. Sie ist nicht nur ein formaler Akt der Aufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen, nein sie geht einher mit dem ersten intensiven Kontakt des Gläubigen mit seiner Religion. Häufig geht neben der religiösen Aufnahme, die nächste oder gar erste Stufe der beruflichen Ausbildung und die die nächste Stufe der Trennung vom Elternhaus einher. Das Kind wird damit nicht nur Teil der religiösen Gemeinschaft, sondern der öffentlichen Gemeinschaft als solches. Deswegen ist es vielen Geweihten neben der religiösen und moralischen Unterweisung wichtig dem jungen Initianden den Einstieg als vollwertiges Mitglied in die Gemeinschaft zu erleichtern und ihn deswegen diesbezüglich zu beraten. Im Vorfeld des eigentlichen Rituals werden hierfür intensive Gespräche geführt und in einem gesonderten Unterricht die Inhalte des eigenen Glaubens und grob der der anderen Kulte vermittelt.
Der Tisch des Schicksals – Zofrehe Zarneweshtie
Durch die überragende Bedeutung des Feqzglaubens, aber auch durch seinen lustigen und geselligen Charakter hat sich das Ritual der Initiation des Feqzglaubens auch bei den anderen Kulten durchgesetzt. So ist es heute nicht verwunderlich, dass die meisten Kulte die Grundstruktur des Rituals übernommen haben, aber durch individuelle Elemente an die eigene Gottheit anpassen. So ist es bei der Radschakirche Brauch, dass die Geweihte den (eingepackt, verhüllten) Gegenstand dem Initianden schenkt und dieser sich diesen nicht selber vom Tisch nimmt, um symbolisch auszudrücken, dass Radscha die größte „gebende“ Göttin ist.
Zentrales Element ist, wie so häufig im tulamidischen Glauben ein Tisch, der sogenannte Zofrehe Zarneweshtie, der Tisch oder das Gedeck des Schicksals. Auf diesem werden verschiedene Gegenstände platziert, die dem Initianden nicht bekannt sind und er erlangt auf die eine oder andere Weise einen dieser Gegenstände. Üblicherweise werden die Gaben vom gesamten Dorf oder einem edlen Spender gestellt. Die Zeremonie findet im Tempel oder auf dem Dorfplatz statt und es ist üblich mehrere Initianden am dritten, neunten oder dem Gott gefälligen Tag des Monats zu initiieren. Am eigentlichen Tag kommen nahe Familienange-hörige dazu, meistens wird abends gemeinsam gefeiert oder gespeist, auch Geschenke für den Initianden sind weit verbreitet. Es ist nicht unüblich, dass Schüler noch einmal ihr Verhältnis zu ihrem Lehrmeister an diesem Tag besiegeln (oder gar einen gänzlich neuen Weg einschlagen). Wenn der Initiand den Gegenstand erlangt, dann muss er argumentieren, was dieser Gegenstand mit seiner Zukunft gemein hat. Häufig wird hierbei der gewünschte Beruf vorgestellt. Im Sinne des Feqzglaubens, darf der Initiand aber sein Schicksal nicht einfach so hinnehmen, sondern muss das Beste aus ihm machen. Erlangt er einen Stein, so kann er ein einfacher Steinschlepper, Bergarbeiter, Steinmetz, oder aber auch ein Bauherr werden. Es kann aber auch sein, dass er eines Tages von einem Stein erschlagen wird. Wichtig ist, dass obwohl er Neigungen und Talente besitzt, er am Ende immer selbst verantwortlich für sein Handeln und seinen Erfolg ist. Dies muss er der Gemeinschaft unter Beweis stellen, in dem er möglichst kunstvoll oder mit viel Wortwitz eine möglichst glorreiche Zukunft, basierend auf dem erlangten Gegenstand, argumentiert. Ahnt der initiierende Geweihte eine besondere Eignung im Dienst seiner eigenen oder einer befreundeten Gottheit stellt er einen zur Gottheit passenden Gegenstand zur Verfügung und vertraut auf den Willen des Gottes, dass dieser den Initianden zum Gegenstand führt. Feqzgeweihte erlauben sich meistens einen Spaß mit dem angehenden Füchsling und führen ihn zu einem möglichst unansehnlichen Gegenstand. Genauso kann es aber sein, dass sie erst nach der geschickten Argumentation des Gesegneten auf ihn aufmerksam werden.