Ungelesener Beitrag
von Ortak der Graue » 30.04.2021 11:12
Ganz, ganz starkes Vademecum! Ich bin geradezu begeistert! Warum?
Hier Gründe, warum ich dieses Buch toll finde:
• Eine bisher eher nebenher auftauchende (Halb-) Göttin wird enorm aufgewertet und erhält einen Rang bzw. eine Bedeutung, die eminent ist. Sie wird plastisch und die Freiräume der bisherigen Lore werden so gefüllt, dass in sich stimmige Neusetzungen geschehen. Die Abgrenzung zu anderen Kulten (bspw. zu Firun oder Tsa) werden deutlich und nachvollziehbar. Es wird für mich plausibel, warum diese Göttin eine notwendige Ergänzung (für aventurische Menschen) darstellt, aber auch worin der Wert des Glaubens auch jenseits von Schnee und Eis (bspw. in Aranien) bestehen könnte.
• Ein wirklich toller Schreibstil, der geradezu poetisch auftritt und eine dem Glauben entsprechend Wortwahl konsequent durchzieht. Strömungen innerhalb des Glaubens sind bspw. „Federfarben“. Regionale Ausprägungen sind unterschiedliche „Schwanengewandungen“. Zugehörigkeitsgefühl ist der Wunsch nach einem Nest bzw. Hort. Fürsorge ist die Liebe von Schwaneneltern. Usw. usf.
• Ich erhalte eindrückliche Einblicke in das Mindset von Ifirn-Geweihten und erhalte somit alles, was ich zum Spielen brauche (abgesehen von Crunch, siehe unten).
• Die Rolle der Göttin in unterschiedlichen (auch nicht-menschlichen) Kulturen wird überzeugend herausgearbeitet. So wird bspw. ein Zusammenhang zu thorwalschen Zauberrunen herausgearbeitet.
• Kontraste und Bedrohungen erzeugen spielerisch reizvolle Spannungen (Kor, die kalte Braut, der todbringende Hetzer) und überhaupt strotzt der Band nur so von Plothooks. Zudem deutet „Auf Schwanenpfaden“ eine Reihe expliziter Handlungsstränge an, ebenso wie „Bitterkalte Erscheinungen“ die Antagonisten der Kirche.
• Der Metaplot wird überzeugend und spielfördernd eingebunden: Der Sternenfall wird im Sinne der Ifirnskirche reframed und so umgedeutet, dass die fallenden Sterne als Ifirnsfunken Fingerzeige der Göttin sind, an welchen Orten Deres die Hilfe von Ifirngeweihten gebraucht wird. Entsprechend entstehen völlig neue „Federfarben“, die sich als SC auch aventurienweit besonders eignen: Sternenwanderer und Funkensucherin.
• Die Darstellung bekannter Diener greift 35 Jahre DSA-Geschichte schön auf und verdeutlicht im Rückblick, dass Ifirn immer schon eine größere Bedeutung hatte, als mir bewusst war. Dabei werden aber auch Herausforderungen und Schwächen der Kirche deutlich (bspw. mangelhafte Organisation, aus der heraus die relativ geringe Bedeutung zu erklären ist – dies gilt es zukünftig zu ändern).
• Der Band bietet mir genug Material, um den Rest des Jahres nur Ifirn-zentrierte Abenteuer und Storylines auszuarbeiten und umzusetzen.
Was könnte man kritisieren?
Nun, Crunch gibt es diesmal gar nicht. Auch in den typischen „Anregungen zur Ausgestaltung“ finden sich keine Regelelemente, sondern weitere Ingame-Texte und ein Fokus auf die „Federfarben“, also unterschiedlichen Subkategorien der Profession. Ich finde es super, weil Crunch in diesem Format meiner Meinung nach auch nichts zu suchen hat, aber ich kann mir vorstellen, dass es wen stört. Ebenso, dass die „Anregung“-Seiten zu kurz sein könnten (das Kapitel ist recht kurz). Mich stört es überhaupt nicht, ich halte das gesamte Vademecum für eine einzige „Anregung zur Ausgestaltung“ einer Ifirn-Geweihten und sowohl als Meister als auch als Spieler brenne ich geradezu darauf, diesen Typus stärker einzubinden. Man könnte auch kritisieren, dass der Fokus tatsächlich auf der nördlichen Hemisphäre Aventuriens liegt und Möglichkeiten, auch im Süden zu spielen, lediglich angedeutet werden. Ich würde gerne das Argument umdrehen und betonen, wie gelungen ich es finde, überhaupt überzeugende Andeutungen für den Süden zu erhalten. Und seien wir ehrlich: Wer Ifirn-Geweihte spielen möchte, denkt sowieso eher in nördlichen Kategorien. Tatsächlich hätte man diesen Aspekt aber eeeeetwas mehr ausweiten können.