RvB hat geschrieben: ↑20.03.2023 21:20
Na'rat hat geschrieben: ↑20.03.2023 20:22
lesbische Praiosgeweihte
Aus deiner Liste von "Zündstoff" würde ich das mal ganz klar streichen. Wenn du persönlich der Ansicht bist, die offizielle Setzung von Aventurien doof zu finden und an deinem eigenen Spieltisch unbedingt Ausgrenzungen aufgrund von Homo- oder Bisexualität haben möchtest, ist dir das freigestellt. Aber es ist in Aventurien einfach völlig egal. Auch im Kosch. Da mag man zwar rahjanische Feiern zügellos und unanständig finden und sich auch nicht zu freizügig anziehen, aber in welcher Geschlechtskombi man liebt, ist wurscht. Eine lesbische Praiosgeweihte ist vom Dorf nicht anders zu beurteilen als eine heterosexuelle. Wenn du das anders siehst, ist das
deine private Setzung für
dein Aventurien und sollte so gekennzeichnet sein.
Im Namen aller anderen Queers im Forum sage ich mal danke. Ein Aventurien, in dem queere Menschen so viel oder noch mehr zu kämpfen haben wie in unserem normalen Alltag im Deutschland des Jahres 2023 gibt das Setting einfach nicht her, das ist ja andernorts schon vor Jahren hinreichend ausdiskutiert worden. Und Homophobie im Rollenspiel braucht auch wirklich niemand (jedenfalls niemand, mit dem ich mich an einen Tisch setzen würde). Auch nicht, um da irgendwelche "Konflikte für die Story zu nutzen", wie es immer vorgebracht wird, wenn jemand begründen will, warum ich mir auch noch in meiner Freizeit Queerfeindlichkeit antun soll. Es gibt schon genug Filme über unglückliche, heimliche Liebe zwischen Frauen vor historischer Kulisse, das ist wirklich das auserzählteste, abgenudeltste Klischee, dass es im lesbischen Kino überhaupt gibt. Es reduziert unsere Existenz auf tragische Sujets, es schreibt die Zensur des Hayes Code fort, der uns in Hollywood ein halbes Jahrhundert lang zu solchen Geschichten verdammt hat, es verfestigt einfach das Stereotyp, wir könnten nie glücklich sein und unsere Erzählungen hätten immer Kampf und unterdrückt werden zu zentrieren. Solche Schnulzen können auch echt gut gemacht sein, ab und zu guck ich sowas ganz gern, aber ich muss trotzdem nicht
Portrait einer jungen Frau in Flammen mit meinen Heldinnen nachspielen, egal wie gut der Film war und wie schön ich da am Ende geschluchzt habe. Wenn ich meine eigenen Geschichten schreiben kann, will ich keine tragischen Lesben, dann will ich nutzen, was für aufregende Frauen man in einem Setting wie Aventurien spielen kann. Wenn es Hexen und Amazonen und Piratinnen und all diese anderen Archetypen gibt, die so ein krasses Potenzial haben, außerhalb heteromännlicher Normen und Fantasien schön und interessant und begehrenswert zu sein und queere Frauen ins Schwärmen zu bringen, dann will ich die nicht als schmachtende Trauerklöße spielen, die ewig ihrer an den gesellschaftlichen Zwängen gescheiterten großen Liebe nachweinen, dann will ich ne coole Sword Lesbian spielen, die auf den Putz haut und ihr Happy End kriegt. Drama kann man ja trotzdem genug haben. Es gibt keinen Grund, Konflikte für queere Protaginist:innen immer an ihrer gesellschaftlichen Marginalisierung als Queers festzumachen, wir sind auch nur Menschen und erleben neben dem ganzen Rotz, mit dem nur wir belastet werden, auch fast alle normalen Herausforderungen, die Cishets so begegnen. Und das ist in Aventurien nicht anders. Ich fand z.B. sehr aufregend, mit meiner Seefahrerhexe (DSA5 mit den neuen Bodenkontakt-Regeln macht es möglich) ne Praiotin abzuschleppen (echter Spielbericht) und bei beiden SC so spürbar den Reiz des Verbotenen und die mit all dem historischen Ballast einhergehenden Spannungen und Schuldgefühle zu haben, gerade wenn das in ne D/s-Dynamik reinging. Ich glaube, das war für beide Seiten (also für alle drei Seiten, der üblich verdächtige Hexer war auch noch dabei) eine sehr interessante, fordernde Konstellation. Die Praiotin wusste halt am Anfang nur bei dem Hexer, wer er war, während sie natürlich sofort als Praiotin erkennbar war und meine Hexe nicht als Hexe (wenn man die Hexensträhne und den Vertrauten übersehen hat - wir haben dann gemeinsam entschieden, dass sie es nicht sofort kapiert, weil das einfach mehr Potenzial hatte). Es war ziemlich unterhaltsam, wie dann im Gespräch, wo natürlich nicht gelogen werden durfte, so peu a peu der Rest rausgekommen ist und ihr immer weiter der Unterkiefer runtergeklappt ist, während sich gleichzeitig eben auch andere Gefühle eingeschlichen haben, die sowohl für die satuarische als auch die praiotische Seite erst mal
sehr schwer zu akzeptieren waren und uns erlaubt haben, die SC ordentlich köcheln zu lassen. Das war schon ein Spaß und das hat auch schön geknistert. Meine ich jetzt nicht den Scheiterhaufen mit, echt nicht!
Darum freue ich mich, wenn es auch in offiziellen ABs mal so ne Geschichte gibt. Da kann man viel mit machen, wenn man denn will.
Edit:
Hesindian Fuxfell hat geschrieben: ↑20.03.2023 19:01
Das Hexentopoi funktioniert im Prinzip immer noch aus der Überlieferung, wie schnell sich Regeln ändern können und der Akzeptanz bannstrahlerischer Ansichten bei der Praioskirche.
Das beruht vor allem auf gegenseitigem Misstrauen, schätze ich. Man darf nicht vergessen, dass in der Gemeinschaft der Hexen noch Frauen unterwegs sind, die viele, viele Jahrhunderte alt sind. Die haben Zeitzeuginnen, die niemand anders hat (unter Menschen). Diese Eigeborenen werden sich sehr lebhaft an die Priesterkaiserzeit und die Magierkriege erinnern und unter Umständen sicherstellen, dass die Lehren, die sie daraus gezogen haben, auch unter den jüngeren Schwestern nicht in Vergessenheit geraten. Die Überlieferung wird also bestimmt immer wieder mahnend am Leben gehalten, sich lieber zu tarnen.
Ich bin früher mal auf Verdacht alle Eigeborenen in der Wiki durchgegangen, um zu gucken, wer von denen wirklich die Priesterkaiser überlebt hat. Das ist zum einen so ne über 1000 Jahre alte Hexe aus Alt-Bosparan, zum anderen Lycosa, die gefangengenommen, gefoltert und entstellt wurde. Das sind die einzigen unter dem guten Dutzend offiziell beschriebenen, noch lebenden Eigeborenen, die so alt sind. Die überwältigende Mehrheit hat kaum mehr als 100, höchstens knapp über 200 Jahre auf dem Buckel, Nahema ist mit über 400 Jahren die Drittälteste.
Ich finde diese Altersverteilung schon auffällig. Wenn es so viele 100-200 Jahre alte Eigeborene gibt, warum dann nicht eine dieser Häufigkeit wenigstens ein Stück weit entsprechende Menge an noch viel älteren? Das kann natürlich Zufall sein, Wiki Aventurica ist außerdem nicht immer vollständig und vielleicht wollen die meisten Autor:innen schlichtweg nicht übertreiben und machen Eigeborene darum bewusst nicht uralt. Aber vor dem Hintergrund, dass die Priesterkaiser den Hesinde- und Tsa-Kult wegen des angeblichen Geheimnisses der Unsterblichkeit verfolgt haben, vor dem Hintergrund der massiven Hexenverfolgung damals, vermute ich eine andere, schlimmere Erklärung: Der Großteil der Eigeborenen hat diese Zeit eben
nicht überlebt. Der Großteil der Zaubermacht und des Geheimwissens der Töchter Satuarias fiel den Priesterkaisern zum Opfer, als die Ältesten der Schwesternschaften ermordet wurden und es sind diese schweren Verluste, die der Praioskirche bis heute nachgetragen werden.
Ist natürlich nur Extrapolation aus ein paar Informationsschnippseln, aber wie so oft bei der Hexenthematik haben wir nicht viel mehr, womit wir arbeiten können. Also werfe ich das mal in den Raum. Ist ausdrücklich meine Spekulation und nicht von der Rollenspielpolizei durchzusetzender Kanon