Der Widerspruch zwischen dem Metaplotkorsett einerseits und einer forcierten Freiheit der Spieler- bzw. Spielfigurenentscheidungen ist nicht zwangsweise gegeben. Zum einen existiert auch die elaborierte Hintergrundwelt, die mit ihrer fortlaufenden Erzählung zu den DSA-Signaturen gerechnet wird, nur an bestimmten Wegmarkern und Eckpunkten orientiert, die selten so dicht gefasst sind, dass sie SC die Entscheidungsfreiheit rauben müssen. Außerdem können Abenteuerbände auch dann alternative Ausgänge anbieten, wenn diese im Anschluss nicht redaktionell betreut werden, solange das so kommuniziert wird, sodass jede Gruppe für sich entscheiden kann, welchen Anspruch an das Spiel sie stärker gewichtet.
Dass dies selbst vor kosmologischen Setzungen keinen Halt machen muss, zeigte etwa die Quanionsqueste (folgend zwar in Spoiler Tags, da auf die Struktur der Kampagne eingegangen wird; aber inhaltlich möglichst inkonkret gehalten):
Es werden verschieden Ergebnisse - nämlich Flucht, Tod oder Triumph des Antagonisten - als Ausgang für die gesamten Kampagne dargeboten, die in ihrer Konsequenz nicht nur einen namhaften NSC betreffen, sondern auch beeinflussen, was bestimmte Geweihte ab diesem Zeitpunkt können oder nicht.
Da die Spielwelterzählung aber sowieso stets eher schlaglichtartig erfolgte, gab es auch immer genug Lücken auszufüllen. Den größeren Erzählrahmen sollte man sich daher nicht als geschlossenes Gatter um die Spielwiese vorstellen, sondern als eine Reihe abgesteckter - mal näher, mal ferner zueinander stehender - Grenzpfähle, die man auch dann noch in ihrer signalisierenden Funktion wahrnimmt, wenn man sich bereits jenseits davon bewegt, solange man auf Sichtweite bleibt.
Ohne das hier besprochene Abenteuer zu kennen, erscheint es mir grundsätzlich reizvoll, in einem Konflikt zwischen Kulten, die zwei konkurrierende Götter (die anders als Erzdämonen oder der NL nicht per se böse sind) anbeten, beide Seiten so zu vermitteln, dass SC eine Entscheidung treffen können, selbst wenn diese wahrscheinlich (schon aufgrund der Anlage der meisten SC, orientiert an der Spielweltnorm*) zugunsten des etablierten Kultes ausfallen dürfte. Diese Entscheidung muss auch nicht über Wohl und Weh eines der beiden Kulte, zumal der Rondrakirche, entscheiden und braucht als gar nicht an einem nennenswerten Erzählpflock rütteln - um im oben gezeichneten Bild zu bleiben -, sondern bedeutet erst einmal eine Positionierung der SC dies- oder jenseits der festgesetzten (offenen Erzähl-)Grenze.
Und es ist schwer zu plausibilisieren, dass es keinen vorstellbaren Handlungsraum geben soll, in dem die Rondrakirche weiterhin ihre Stellung behält und ein etwaiger Untergrund-Shinxirkult gestärkt hervorgehen kann, ohne im Prinzip ein Untergrund-Kult (dann mit besseren/mehr Verbindungen etc.) zu bleiben. Selbst wenn es an den SC hängen sollte, ob - das jedenfalls wäre ein denkbarer Plotpoint - die Shinxir-Jünger an die Primärliturgie ihres Herrn gelangen oder ob genau das verhindert werden soll, muss das wie auch immer geartete Ergebnis im übergeordneten Metaplotrahmen kaum registriert werden. Der Status quo ist ja stets nur bis zu einem gewissen Grad konturiert und weist Leerstellen auf, die als Handlungsraum in einem (aus meiner Sicht: guten) Szenario expliziert werden können.
Kurzum: Die Frage der geschickten Verzahnung eines Szenarios in den übergeordneten Handlungsrahmen einerseits sowie andererseits die innere Struktur des Szenarios selbst, die auf das bloße Nacherleben eines strikt vorgegebenen Handlungsverlaufs setzen oder Entscheidungs- und Handlungsfreiheiten innerhalb desselben anbieten kann – beides ist nicht zwingend voneinander abhängig und jeweils flexibel gestaltbar.
*Dass gerade SC nicht der Norm entsprechen müssen, könnte natürlich auch als Argument herhalten.