Satinavian hat geschrieben: ↑15.03.2023 09:41
Meine Erfahrung ist eine ganz andere. DSA3 gegen Ende verlor immer mehr Präsenz, aber mit der Vierten kamen Spieler von Shadowrun und Vampire zurück und es gab einen Haufen Neueinsteiger von denen auch fast alle geblieben sind. Die vierte Edition hat DSA damals gerettet.
Was die Neuzugänge angeht, ist mein Eindruck ein anderer - jedenfalls habe ich echt kaum von Leuten gehört, die während der 4. Edition angefangen haben. Ich meine, wenn ich einfach mal das Forum hier als Beispiel nehme: Soweit ich das mitbekommen habe, sind hier nicht nur die überwältigende Mehrheit DSA 4-Spieler, sondern von diesen besteht wiederum die überwältigende Mehrheit aus DSA 3-Veteranen (weswegen auch so viele über 35 sind); wohingegen ich konkret eigentlich nur von Assaltaro weiß, dass sie ein DSA 4-Gewächs ist.
(Zur Klarstellung: Ich sage nicht, dass alles besser gewesen wäre, wenn man bei DSA 3 geblieben wäre; die Zeit dieses Systems war vorbei. Aber ich denke schon, dass man bei DSA 4 eine Menge hätte anders machen können, um den Problemen vorzubeugen, mit denen das System auch nach Ende der Edition noch zu kämpfen hat.)
Sein wir mal ehrlich : Die DSA4-Regeln sind zu umfangreich und detailverliebt, aber keineswegs zu kompliziert.
Dann ersetze mental überall in meinen Beiträgen, wenn es um das Thema geht, die Begriffe "übermäßig kompliziert/komplex" mit "hoffnungslos überfrachtet", und du kommst auch auf das, was ich aussagen will.
Nehmen wir beispielsweise mal die ziemlich haarsträubende Steigerungstabelle mit acht Spalten und 25+ Zeilen, die ich als exemplarisch für das ansehe, was in DSA 4 falsch gelaufen ist. Ist sie besonders schwer zu
verstehen? Ne, beim besten Willen nicht. Aber ist sie ein ziemlicher Tumor, was die geschmeidige Spielbarkeit des Systems angeht? Hier wage ich zu behaupten: Ja. Und von dem Kram gibt es in DSA 4 viel zu viel, und zwar von Beginn an. Um hier nochmal die Chef-Orkenspalterin (Maire) zu zitieren, als sie ihren ersten DSA 5-Helden zusammengeschraubt hatte: "es ist ganz angenehm, wenn man zur Abwechslung mal wieder einen Charakter in weniger als einer Stunde erstellen kann."
Und das ist jetzt wohlgemerkt DSA 5; in anderen Systemen wie DnD oder Vampire war die Erstellung noch schneller erledigt und man kann dann auch relativ schnell anfangen. (Klar, wer mit DnD vertraut ist, der weiß, dass man Charaktere derart böse verskillen kann, dass der erste Versuch ohnehin eine geringe Halbwertszeit haben wird; aber als Spielanfänger hat man das noch nicht so auf dem Schirm.) Bei DSA 4 musste man als Neuling dagegen erstmal eine enorme Anfangsinvestition leisten, ehe du überhaupt anfangen kannst: Nämlich diverse Regeln inhalieren und dann auch noch einen halben Tag mit dem Basteln eines Chars verbringen. Und das ist selbst dann eine ziemlich hohe Anforderung, selbst wenn man in eine bestehende Gruppe reinrutscht, die einen an der Hand hält. Als ich mit DSA 2 anfing, war der Aufwand noch grob vergleichbar mit ADnD (ich wusste sofort, was für einen Heldentyp ich spielen will, und dann war es im Grunde nur noch die Übertragung der Talente und eine Einkaufstour für die Startausrüstung, und schon konnte ich anfangen), und auch wenn ich verstehe, dass das so nicht mehr machbar ist - wer will schon ein System mit derart einförmigen Archetypen und komplett ohne Vor/Nachteile oder SFs - so hätte man doch einen "Sweet spot" zwischen Einfachheit insbesondere beim Einstieg und Komplexität treffen müssen, und das wurde in DSA 4 im Grunde ja nicht mal versucht. (Und so gerne ich auch an DSA 5 rumkrittele: Hier
wurde es versucht.)
Ich meine, klar, es kann natürlich sein, dass ich mich total täusche, DSA 4 das Spiel gerettet hat und das überfrachtete Regelwerk gepaart mit der Einstiegshürde keine nennenswerte Anzahl an potenziellen Neuspielern abgestoßen hat - aber ich glaubs echt nicht. Auf reddit habe ich mal eine Beschreibung von DSA gelesen, die in etwa "so wie man sich ein PnP vorstellt, das von Deutschen gemacht wurde" lautete, und das war nicht als Kompliment gemeint - aber (a) ich weiß genau, was sie damit meinten und (b) ich kann leider echt nicht sagen, dass der Vorwurf aus der Luft gegriffen war.
Galliad hat geschrieben: ↑15.03.2023 17:33
Das ist eine der wenigen Dinge, die den Einstieg erleichtern.
Das war ja auch keine Kritik, sondern nur ein Beispiel für etwas, was einem Spieler
individuell missfallen mag, aber kein fundamentales Problem für die Überlebensfähigkeit des Systems darstellt.
Was Fehler angeht, fallen mir 3 Dinge ein.
1. Wege des Schwerts. Dieses Buch ist so ein Müll. 8 Lektoren und keiner davon hat gearbeitet. Es gibt Logiklücken, schlecht platzierte Texte (Regeln zur Behandlung von Gift stehen in der Talentliste statt im Kapitel Gifte) und es fehlt sogar eine komplette Seite (S 136ff, der Text bricht einfach ab). Dass dieses Buch keine zweite Auflage bekam, ist unfassbar dumm.
[...]
3. Die Aprilscherze. Warum...warum bei allen 13 Höllen, dem Namenlosen und allem was unheilig ist, hat Ulisses gedacht, dass es eine gute Idee ist Witzprodukte wie DSK oder Wege der Vereinigung auf den Markt zu bringen? Es ist peinlich. Es ist eine Meme. Und wenn das Meme tot ist, ist es nur noch peinlich. Die Marke ist dann dauerhaft beschmutzt und wird nicht mehr ernst genommen. Und die Stammkundschaft, die DSA nunmal sehr am Herzen liegt, die wird dadurch verdrängt. Kurzfristiger Gewinn, langfristiger Schaden. Man könnte meinen ein paar Entscheidungsträger stehen kurz vor der Rente und wollten nochmal richtig viel rausholen.
Genau sowas meinte ich mit dem Thema hier ja nicht.
Das eine ist unsaubere Arbeit - die ist zwar ein Problem, aber keine lange nachwirkende Hypothek, die das System belastet. Und das andere sind persönliche Präferenzen. Ich meine, ich finde ja ebenfalls, dass WdV quasi PvP-Aids ist, aber es ist halt nur eine missglückte SH, die soweit ich das beurteilen kann die Marke DSA nicht wirklich irreparabel geschädigt hat.
Carus hat geschrieben: ↑15.03.2023 18:54
Muss man sich nur schon D&D und viele entsprechende Third-Party Produkte dazu ansehen. Lustige und niedliche Tierchen als SC sind gross im Rennen.
Erinnere mich nicht da dran. Früher (also
ganz früher) hatten Nichtmenschen bei DnD ziemlich heftige Stufenbeschränkungen; und Exoten wie diverse Tiermenschen, Halbelementare etc. gab es ganz grundsätzlich nicht. Die Logik von Gary Gygax war die, dass die Kampagnensettings von Menschen dominiert wurden, und damit die Zusammensetzung der Gruppen das auch widerspiegelte, wurden den Spielern Nichtmenschenrassen - man kann es nicht anders sagen - systematisch vermiest.
Fand ich damals irgendwie ziemlich beknackt, aber nach einer Überdosis Horrorstories aus DnD5, wo die durchschnittliche Gruppe zu 90% aus Kitsunes, Dragonborn, Tieflingen und sonstigen Edgelord-Rassen besteht, kann ich es mittlerweile nachvollziehen.
mhd hat geschrieben: ↑15.03.2023 18:34
Ich kenne jetzt auch in der ganzen Rollenspiel-Geschichte sehr wenig Gegenbeispiele. Talislanta? Athas? Sonst über ein oder zwei Ecken alles entweder kopiert (selbst viel von Tekumel oder Glorantha) oder unlogisch (*alle* bösen Länder).
Selbst Athas hat kopiert, auch wenn es nicht in allen Spielhilfen so eindeutig rüberkam.
Tyr = Rom
Balic = Griechenland
Raam = Indien
Nibenay = Khmer-Reich oder so
Gulg = Afrikanisches Dschungelkönigreich-Dings
Draj = Aktzeken
Urik = Mesopotamien
Ur Draxa = Die Draka von SM Stirling (
https://en.wikipedia.org/wiki/The_Domination)