Definierte Regeln für soziale Interaktionen

Erfahrungen, Tipps, Vorlieben, Probleme, Fragen zu RPG-Systemen und RPG-Theorie.

Würden Kampfähnliche Regeln für soziale Konflikte das Spiel bereichern?

Ja.
6
17%
Ja, aber...
9
25%
Unentschlossen
1
3%
Eher nein
10
28%
Nein
10
28%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 36

Numinoru
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Definierte Regeln für soziale Interaktionen

Ungelesener Beitrag von Numinoru »

Ist halt auch die Frage, ob man Das Einbringen cleverer Ideen oder persönlichen Wissens und Könnens generell belohnen sollte. Wenn jemand im realen Leben was vom Klettern versteht und das in seine Beschreibungen einfließen lässt, finde ich das schon eine Bereicherung am Spieltisch. Ebenso, wenn jemand eine schlüssige Argumentation vorlegt, bevor er auf Überzeugen würfelt. Ich bin ja froh, wenn die Leute das auch machen, ohne Boni und Sondererfahrungspunkte zu erwarten. Belohnungen schwächen die intrinsische Motivation, das Spielen zu einem reicheren Erlebnis für alle zu machen. Und darum gehts doch letztlich.
Ich weiß auch gar nicht, ob der Kl 8 Charakter ohne soziale Fertigkeiten, der aber total eloquent gespielt wird, in der Praxis so ein häufiges Problem ist. Meiner Erfahrung nach bauen Spieler tendenziell schon die Helden, die sie auch spielen wollen. Inklusive ihrer Schwächen.

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bluedragon7
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Ungelesener Beitrag von bluedragon7 »

Meine Ansicht nach ist halt diese Bereicherung eben das was man aus guter Darstellung gewinnt. Der Selbstzweck den ich vorher meinte. Gute Darstellung belohnt sich automatisch selber durch mehr Spielspaß. Da braucht man meiner Ansicht nach nicht noch extra Belohnungen. Ich glaube die verderben eher das ganze.
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pmd
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Ungelesener Beitrag von pmd »

Numinoru hat geschrieben: 02.08.2021 08:31 Ist halt auch die Frage, ob man Das Einbringen cleverer Ideen oder persönlichen Wissens und Könnens generell belohnen sollte. Wenn jemand im realen Leben was vom Klettern versteht und das in seine Beschreibungen einfließen lässt, finde ich das schon eine Bereicherung am Spieltisch. Ebenso, wenn jemand eine schlüssige Argumentation vorlegt, bevor er auf Überzeugen würfelt. Ich bin ja froh, wenn die Leute das auch machen, ohne Boni und Sondererfahrungspunkte zu erwarten. Belohnungen schwächen die intrinsische Motivation, das Spielen zu einem reicheren Erlebnis für alle zu machen.
In dem Moment, wenn man am Spieltisch mit "Belohnung", "Erziehung" oder ähnlichem in Bezug auf die Spieler meint arbeiten zu müssen, ist auf einer Ebene außerhalb des Spiels schon etwas schiefgelaufen.

Schon vor dem Spiel sollte man sich in der Gruppe größtenteils einig sein, wie man spielen will (bzw warum man spielen will / was am Spiel Spaß macht). Wenn eine entsprechende Art der Darstellung dazugehört (was keinesfalls sein muss, gerade wenn man stark in Richtung G (aus GNS) geht), dann wird diese Darstellung zum "Selbstzweck", wie @bluedragon7 es nennt: Die Spieler machen es von ganz alleine, weil es etwas ist, das ihnen am Spiel Spaß macht. Wenn die Darstellung für einen Spieler nichts ist, was ihm Spaß macht, dann liegt die Lösung dafür nicht in Belohnungs und Erziehungsmaßnahmen innerhalb des Spiels, sondern in Maßnahmen außerhalb davon (gegebenenfalls stellt man dann fest, dass man nicht das selbe Spiel spielen möchte, auch wenn es den selben Namen hat. Bei Rollenspielen ist das nichts ungewöhnliches.)

Nichtdestotrotz kann es so sein, dass gute Ideen, Darstellung und anderes durch Spielerfolge belohnt wird (insbesondere wenn das Spiel Elemente aus dem G der GNS hat). Ein gutes Argument, eine kluge Taktik führen zum Erfolg der Figuren. Das ist aber keine Belohnung, um eine erwünschte Spielweise zu erziehen, sondern die Spielweise steht vorher bereits fest (und alle Spieler sind sich einig, dass sie so spielen wollen). Die Belohnung ist Teil des Spielspasses. Es macht Spaß Erfolg zu haben.

Kendor
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Ungelesener Beitrag von Kendor »

Gerwulf_Treublatt hat geschrieben: 01.08.2021 16:50 Soziale Interaktion, vor allem in ein Rollenspiel hineinprojiziert, ist etwas, dass eine Gruppe mit genügend Spielzeit "erlernen" und ausbauen kann, weil das Menschen sind.
Das gilt aber für alle profanen Fähigkeiten. Soziale Interaktion hat hier keine Sonderrolle.

Schwertkampf ist etwas, dass eine Gruppe mit genügend Spielzeit erlernen und ausbauen kann, weil das Menschen sind.
Philosophie ist etwas, dass eine Gruppe mit genügend Spielzeit erlernen und ausbauen kann, weil das Menschen sind.
Heilkunde ist etwas, dass eine Gruppe mit genügend Spielzeit erlernen und ausbauen kann, weil das Menschen sind.

Was das ganze jetzt mit dem verzicht auf Würfe, deren Ausgang schon vorher klar ist, zu tun hat, verstehe ich aber auch nicht.

Wozu soll ich auf Klettern würfeln, wenn ich z.B. einen Bonus von +12 habe und gegen die 12 würfeln muss? Selbst bei einer miserablen 1 wäre das geschafft.

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bluedragon7
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Ungelesener Beitrag von bluedragon7 »

Kendor hat geschrieben: 02.08.2021 10:28 Was das ganze jetzt mit dem verzicht auf Würfe, deren Ausgang schon vorher klar ist, zu tun hat, verstehe ich aber auch nicht.
Wenn die Darstellung dem Talent des Chars angemessen (hat Überreden auf X und verlangt etwas so simples daß die Probe ehh um Y erleichtert ist) ist dann kann es durchaus Sinn machen auf einen Wurf zu verzichten und dem Char den entsprechenden Erfolg zu geben. Das ist das gleich wie bei Klettern X eine Probe erleichtert um Y nicht zu würfeln und dem Kletterer sein „Ich klettere da hoch“ mit einem „Klappt problemlos“ zu beantworten.
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Ungelesener Beitrag von Gerwulf_Treublatt »

Kendor hat geschrieben: 02.08.2021 10:28 Soziale Interaktion hat hier keine Sonderrolle.
Gerade darauf will ich hinaus, sie hat eine Sonderrolle. Während man profane Talente nach bestem Gewissen sicher ganz gut beschreiben kann - wir klammern hier aus, dass sich auch ein Lagerfeuer am Spieltisch entfachen lässt - ist die Soziale Interaktion die Grundlage unseres (Rollen-)Spiels.

Was macht man, wenn man am Spieltisch möglichst genau beschreibt, wie der Charakter dieses Lagerfeuer vorbereitet? Man interagiert mit der Gruppe, offenbar ist eine Darstellung erwünscht. Bonuspunkte fürs gute Darstellen? Nein, Bluedragon hat bereits erklärt weshalb sowas nicht mehr gut ankommt. Man könnte das genaue Ausführen der Szene auch einfach weglassen, das Resultat ändert sich nur durch die Probe.

In der Verhaltensforschung und Soziologie wird in einem Rollenspiel zwischen dem Darstellen einer Szene und dem Ausspielen einer eigentlichen sozialen Interkation sehr wohl unterschieden, das lässt sich bei Interesse recherchieren. Deshalb benötigt man für das Lagerfeuer in unserem Beispiel auf jeden Fall eine Regel, aber nicht unbedingt in dem Bereich, um den es hier geht.
Unterstrichene Hervorhebung: Ja, es gibt freie Rollenspiele, keine Frage. Um die soll es hier aber nicht gehen, sonst können wir gleich noch über dort existierende Regeln in Form von Verhaltensnormen (außerhalb wie innerhalb des Spiels) diskutieren.

@bluedragon7 Ich kann mich nur nochmals wiederholen: Grundlage meiner Ausführung ist eine Gruppe, deren Personen über ein möglichst gleichwertiges Verständnis des Spiels verfügen und darüber hinaus in der Lage sind, unabhängig einer übergeordneten Instanz durch Erfahrung auf intuitive Art und Weise zu entscheiden, wie die Darstellung aus der Ich-Perspektive zu erfolgen ist, damit die im Spiel erfolgende soziale Interkation den Abstraktionsgrad "Regel" nicht benötigt.
Auch hier kann ich nur auf ein Neues anmerken, dass es keine Boni fürs Darstellen geben kann, eben weil die Gleichwertigkeit innerhalb der Gruppe gewährleistet ist. In einer nahezu homogenen, bezogen auf eine Personengruppe, Einigkeit kommt ein solches Belohnungsmuster schlicht nicht vor.

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bluedragon7
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Ungelesener Beitrag von bluedragon7 »

Gerwulf_Treublatt hat geschrieben: 02.08.2021 12:19 In einer nahezu homogenen Einigkeit kommt ein solches Belohnungsmuster schlicht nicht vor.
In dem Fall gibt es dann ja ein gemeinsames, gleichberechtigtes implizites Abschätzen was geht und was nicht, welches vermutlich die dargestellten Chars berücksichtigt.
Danke für die Klarstellung, das wäre dann tatsächlich kein Vergeben von Boni nach Darstellung.
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Ungelesener Beitrag von Gerwulf_Treublatt »

@bluedragon7 Ich habe mir meine letzten Posts nochmals durchgelesen, um einen eventuellen Widerspruch zu finden, der womöglich für Verwirrung gesorgt hat.
Tatsächlich habe ich ein Abschätzen verneint, in dem Fall aber präzise auf die SL als alleinige (weil übergeordnete) Instanz bezogen. Dadurch habe ich aber nicht ein Abschätzen konsequent ausgeschlossen. Im Gegenteil: Regelfreies Spielen erfordert mMn ein hohes Maß an Empathie und Vorbereitung, wenn man sich in diese Richtung bewegt. Die vermeintliche Leichtigkeit durch Wegfall von Regeln wird an anderer Stelle mit einem Mehr an Arbeit erkauft. Vielmehr habe ich versucht klarzustellen, dass eben nicht (mehr) die SL in persona "outgame" von Argumenten überredet werden muss (ich folge hier deinem Beispiel), dies dann "ingame" auf einen NSC überträgt und dementsprechend die Handlung beschreibt. Eine solche Form der Entscheidungsgewalt lehne ich persönlich beim Spiel mit wenigen Regeln in der sozialen Interaktion ab, weil eine einzelne Person in einer sozialen Interaktion niemals neutral agieren wird (Stichwort Boni bei Darstellung oder differenzierte AP-Vergabe). Und ja, dann wären wir in der Tat bei einem in Grundzügen bei einer erzieherischen und pädagogischen Tendenz angelangt, die in einem Spaßspiel selbstverständlich nichts zu suchen hat. Dazu gibt es übrigens haufenweise Teststudien, wahlweise mit Bezug auf die Realität oder innerhalb eines Rollenspiels. Grob gesagt entscheidet es sich als Gruppe "besser", als wenn eine einzelne Person Gewalt ausübt. Ich nehme an, dass dies trivial ist.

Vasall
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Ungelesener Beitrag von Vasall »

Ich habe für "Ja, aber" gestimmt.

Ja, weil es durchaus Sinn macht jedwede Interaktion eines Charakters mit der Spielwelt über eine Würfelrobe abzubilden, so es der Spannung dient und der Ausgang fraglich ist. Und aber, weil es nicht gleich ein kampfähnliches System sein muss, normal Fertigkeiten oder irgendein anderer Mechanismus würden es auch tun.

Dazu ein paar Gedanken:
Auch Kämpfen ist zunächst soziale Interaktion.
Ich bin RL ein sehr erfahrener Turnierkämper und Kampfkünstler und habe schon allein aufgrund meiner Erscheinung Kämpfe frühzeitig entschieden, ohne einen einzigen Hieb zu führen.
Doch dieses Drohpotential am Spieltisch in irgendeiner Form anzubringen käme mir nie in den Sinn!! Jeder weiß sofort, dass hier das Spiel zu ende ist. Wenn die Emotionen meiner Mitspieler tatsächlich angegriffen würden wäre das schlimm und unverzeihlich.

Soziale Interaktion, bei denen ein Spielcharakter einen andern Spielcharakter emotional bedrängt, einschüchtert, betört, überzeugt, umschmeichelt, oder ihm in irgendeiner anderen Form durch die Mittel der Kommunikation seinen Willen aufdrängt, sollte sich niemals auf die Mitspieler übertragen und niemals die Ebene des Spiels verlassen. Was meistens der Fall wird, wenn echte Emotionen abseits von "Wow, coole/ergreifende Szene" ausgelöst werden.

Allein deshalb braucht es schon Würfel oder eine andere Art spielerischer Entscheidungsfindung um abzubilden "das es ernst" wird.
Einen echten sozialen Konflikt, ein Streitgespräch, eine manipulative Anmache braucht niemand am Spieltisch, genau so wenig wie man eine Prügelei am Spieltisch haben mag. Ich seh da keinen Unterschied.

Aufgabe der Spieler in sozialen Interaktionen ist es daher eher Entscheidungen über das was und womit zu treffen und so die Strategie und Taktik für ein Rededuell festzulegen. Der rhetorisch/manipulative Angriff, der abbildet dass jetzt tatsächlich Emotionen, Moral und Wertegefüge des Gegenübers angefahren werden, erfolgt dann über die entsprechenden Spielmechanismen, mit Modifikatoren die sich aus den Entscheidungen der Spieler, den Charakterwerten und der Spielsituation ergeben, und eben nicht indem reale Gefühle auf den Tisch gezerrt werden und jemand tatsächlich manipuliert wird.

Die angesprochene rollenspielerische Leistung liegt im schönen Rollenspiel eines Mitspielers oder eine Mitspielerin. Das bereichert das Spiel ungemein und ist allein deshalb Willkommen am Tisch und durch Spielmechanismen nicht zu ersetzen.
Aber die feurige Rede am Spieltisch sagt nun mal nichts darüber aus, ob es der Mitspielerin tatsächlich gelingen würde damit eine echte Kriegsveteranin einzuschüchtern, woher sollte ich als SL das auch wirklich wissen wollen. Die Ansprache ist nur Rollenspiel, und zum Glück kein echter Angriff.

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Satinavian
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Definierte Regeln für soziale Interaktionen

Ungelesener Beitrag von Satinavian »

Im Prinzip sind umfangreichere Regeln für soziale Interaktionen eine gute und wünschenswerte Sache.

In der Praxis sind sie arg schwierig zu schreiben, weil soziale Interaktion so vielfältig ist. Und insbesondere Kampfregeln sind eigentlich kein guter Startpunkt dafür. Außer für Debatten, in denen zwei Parteien an eine dritte appellieren, knirscht eine kampfbasiertr Umsetzung meist gewaltig. Das fängt damit an, dass es oft mehr als zwei Seiten/Teilnehmer gibt und geht damit weiter, dass die meisten sozialen Interaktionen eigentlich in ihrer Natur eher kooperativ als antagonistisch sein sollten.

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Die dreiköpfige Echse von Nabuleth
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Ungelesener Beitrag von Die dreiköpfige Echse von Nabuleth »

Gorilla94 hat geschrieben: 31.07.2021 11:15 Die Frage ist auch, was man wann Proben sollte. Wir hatten z.B. den Fall, dass die Vorstellung eines NPCs logisch betrachtet Murks war. Spieler mit starkem Lore-Wissen und entsprechenden Punkten im Wissenstalent, um das nutzen zu dürfen, weist sie trocken darauf hin. Es ging nicht darum sich einen Vorteil zu verschaffen. Damit hat er einen zentralen Konflikt zwischen zwei sich ansonsten eigentlich gut verstehenden NPCs im Abenteuer gelöst. Soll ich den jetzt auf überzeugen oder überreden würfeln lassen, obwohl er grad überhaupt nicht auf jemanden einredet, sondern einfach nur Informationen mit Beweis auf den Tisch knallt?
Je nach Kontext schon. Meine Erfahrung mit "einfach Informationen auf den Tisch knallen" ist immer wieder (und erschreckenderweise immer öfter), dass Menschen auch mal bereit sind, Evidenz vollkommen zu ignorieren. Es ist eine schöne, aber leider stark idealisierte Vorstellung von Debatten, dass der mit den besseren Argumenten, mit der stringenteren Beweiskette, mit den richtigen Fakten auf seiner Seite "gewinnt." Selbst, wenn alle in der Diskussion diese Fakten verstehen und richtig einordnen können - wenn die Fakten meinem Gegner in der Debatte nicht in den Kram passen, kontert er ggf. mit der SF "Gish Gallop", sprich: er rattert eine Litanei von offensichtlichen Halbwahrheiten oder maximal dreisten und provozierenden Lügen herunter und schwupps bin ich plötzlich in der Zwickmühle, ob ich den Stuss ignorieren und damit stehen lassen will oder ob ich diesem Derailing-Versuch nachgebe und den Schwall aus Bullshit, der mir gerade vor die Füße geschleudert wurde, kontere und damit die Kontrolle über den Gesprächsfluss aufgebe. Und das ist nur ein Beispiel für solche Techniken, es gibt dutzende davon und sie funktionieren so gut, dass einem Angst und Bange wird. Nicht bei jedem, aber bei vielen Menschen, die sich eher nebenbei mit nem Thema beschäftigen, reicht das völlig aus. Mit dieser Art von Taschenspielertricks machen fähige Demagogen auch ausgewiesene Experten rhetorisch fertig und das Schlimme ist, das funktioniert sogar so hervorragend, dass bereits Schopenhauer ein ganzes Buch darüber geschrieben hat, wie man Diskussionen gewinnt, obwohl man objektiv im Unrecht ist (danach hat er sich übrigens nicht getraut, es zu veröffentlichen, weil er dieses Wissen zu gefährlich fand).

Und selbst, wenn wir es nicht mit einem auf diese Art geschulten Gesprächspartner zu tun haben: Stell dir vor, der Puniner Magus, der die Welt außerhalb seiner Studierstube nur im äußersten Notfall zu sehen kriegt, findet heraus, dass unter der Stadt eine daimonide Killer-Echse aus der Zeit der Magierkriege liegt und dass die Bauarbeiten für das neue Handelskontor dazu führen werden, dass die freigelegt wird und alle aufisst. Unser Magus verschafft sich eine Audienz beim Fürsten und trägt weitschweifig, langatmig, sichtlich unsicher seine These vor. Und dann bringt der Schatzmeister, dem eine Unterbrechung der Bauarbeiten einen empfindlichen Karriereknick verpassen würde und der dem Magus gar nicht richtig zugehört hat, einen flappsigen Spruch, mit dem er die Idee schlafender Dämonenechsen total ins lächerliche zieht und bei dem der halbe Saal vor Lachen auf dem Boden liegt und der Magus steht mit hochrotem Kopf in der Gegend rum, bevor er überhaupt zum wesentlichen Teil seiner Ausführung kommt. Als totaler Außenseiter, der gegen einen im Kreis der Leute, die er überzeugen will, fest etablierten und als vertrauenswürdig geltenden Gegner anreden muss. Er hat die Fakten auf seiner Seite, aber er wird niemanden überzeugen, weil ihm keiner mehr zuhören will. So werden, um im Beispiel zu bleiben, Städte von Echsen aufgegessen.

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Die dreiköpfige Echse von Nabuleth
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Ungelesener Beitrag von Die dreiköpfige Echse von Nabuleth »

Gerwulf_Treublatt hat geschrieben: 02.08.2021 12:19
Kendor hat geschrieben: 02.08.2021 10:28 Soziale Interaktion hat hier keine Sonderrolle.
Gerade darauf will ich hinaus, sie hat eine Sonderrolle. Während man profane Talente nach bestem Gewissen sicher ganz gut beschreiben kann - wir klammern hier aus, dass sich auch ein Lagerfeuer am Spieltisch entfachen lässt - ist die Soziale Interaktion die Grundlage unseres (Rollen-)Spiels.
Korrekt. Aber folgt daraus, dass unsere soziale Interaktion am Spieltisch immer hundertprozentiges Abbild aller sozialen Interaktion in der Spielwelt sein muss oder auch nur sein kann?

Einfaches Beispiel - Als ich den Thread hier gelesen habe, dachte ich:

Moment, wenn das in eins fällt, wenn ich stets so spielen muss, dass es den geistigen Attributen des Charakters entspricht, wenn im Zwischenmenschlichen, Zwischenorkischen, Zwischenechsischen nur gilt, was ich mir durch mein schauspielerisches Können, durch mein CHA im real life, als echte Person, erschauspielert habe ...

... dann ist die Gruppe, in der so gespielt wird, ja für alle Zeit sicher davor, dass ihr Nahema über den Weg läuft. Denn CHA21 hatte ganz definitiv noch kein SL, den ich je gesehen habe.

Ja, ich weiß, das klingt nach reductio ad absurdum. Aber als SL ist man dauernd in der Situation, NSC spielen zu müssen, deren Ausstrahlung und Überzeugungskraft WEIT über dem liegt, was man von normalen Leuten erwarten kann. Ist ein ganz normaler Typ, der hin und wieder schon mal stammelt oder sich verhaspelt, für alle Zeiten davon disqualifiziert, in einem höfischen Intrigenabenteuer jemanden mit CHA 15 aufwärts zu spielen, als SL wie als Spieler? Denn CHA 15+ ist eindeutig ein Bereich, in dem sich die allermeisten Menschen, die sich nicht maßlos überschätzen, eher nicht verorten würden.

Gleichzeitig ist das aber ein Bereich, in dem ein typischer Palastintrigenmeister oder ein erfahrener Skalde oder Streuner in einem AB oder Fantasy-Roman durchaus anzusiedeln sein kann. Wenn ich DSA spiele, dann erwarte ich eigentlich, dass jeder in der Gruppe, der das möchte, jemanden mit CHA13, Überreden 10 und Vorteil Gutaussehend generieren kann. Das klingt für mich weder ungewöhnlich noch besonders powergamig, das sind erwartbare Werte für das Face der Gruppe, oder? Und wenn dieser Char etwas gesteigert ist, haben wir sehr schnell ein Skillset, das einem absolut herausragenden persönlichen Magnetismus entspricht. Das ist schon zu Beginn der Kampagne jemand, der die meisten seiner Mitmenschen spielen kann wie eine Fiedel. Über wie viele DSA-Spieler kann man das gleiche sagen und warum sollten die Spieler, über die man das nicht sagen kann, nicht das Face der Gruppe spielen dürfen?

Klar, wenn jemand CHA als Dumpstat nimmt und dann immer federführend mitverhandeln und dabei nicht wie ein Waldschrat rüberkommen will, bin ich komplett bei Dir. Dann spielt der natürlich seinen SC nicht richtig und das würde ich ihm selbstverständlich auch sagen. Und ich wäre auch kein Freund davon, einfach nur rumzuwürfeln, damit man die Laberszene so schnell es geht durch hat und wieder Orkse häckseln kann.

Aber diese Position "wir regeln soziales komplett rollenspielerisch, da wird nie gewürfelt", die habe ich noch nie verstanden. Im Sinne von "ich kann mir nicht vorstellen, dass es auch nur eine Gruppe gibt, die das in aller Konsequenz durchzieht." Entweder, man würfelt ab und zu eben doch, um zu sehen, ob der SC so agiert, wie der Spieler es performt und beschreibt oder man ignoriert zumindest unbewusst, dass es auch bei sozialen Fertigkeiten Bereiche gibt, die man nicht 1:1 ausspielen kann (oder möchte).

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Ungelesener Beitrag von Gerwulf_Treublatt »

Gerwulf_Treublatt hat geschrieben: 01.08.2021 13:21 Mir ist klar, dass Regeln ziemlich gut Fähigkeiten beschreiben können, die man als normale Person einfach nicht besitzt. Da helfen sie ohne Frage weiter, so benutze ich die auch. Mir ging es bei der aufkommenden Diskussion auch gar nicht um diesen Bereich, Verzeihung falls das undeutlich gewesen ist.

Ich wollte vielmehr verdeutlichen, dass Regeln in niedrigen (bis mittleren?) TaW-Bereichen durchaus Formen von Barrieren sind, die eine Person daran hindern, dass dem Charakter mehr angedichtet wird, als er eigentlich ist.
Wieso wird dieser Abschnitt so geflissentlich übergangen? Gebetsmühlenartiges Wiederholen: Ja, ich weiß, dass Spieler*innen keine Staatsmänner, Herrscher, Schausteller usw. sind. Ebenso wenig wird man auch als Obrstlt PzT a. D. einen Haffax mit all seiner taktischen Brillanz darstellen.
Mir geht es darum, dass die Regeln im sozialen Bereich bis zu einem gewissen Grad bei genügend Erfahrung der Gruppe (Miteinander, Konsens) nicht mehr unbedingt nötig sind. Auch habe ich die Erfahrung über mehrere Gruppen hinweg gemacht, dass es offensichtlich mehr Spaß bereitet, diese Szenen auszuspielen, die ansonsten von Regeln bestimmt worden wären.
Also nochmal: Nur bis zu einem bestimmten Bereich, der sich je nach Gruppe ändern kann. Nur soziale Interaktionen, wobei hier mWn Wert auf eine mehr als strikte Trennung zwischen Spieler*in und Charakter gelegt wird. Was im Spiel passiert, bleibt dort auch.
Die dreiköpfige Echse von Nabuleth hat geschrieben: 06.08.2021 19:57 Aber diese Position "wir regeln soziales komplett rollenspielerisch, da wird nie gewürfelt", die habe ich noch nie verstanden.
Das hast du sicherlich nicht in meinen Posts gelesen. Falls doch, dann habe ich mich irgendwo unglücklich ausgedrückt und ich bitte um Verzeihung.

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Ungelesener Beitrag von Die dreiköpfige Echse von Nabuleth »

Gerwulf_Treublatt hat geschrieben: 06.08.2021 20:15
Die dreiköpfige Echse von Nabuleth hat geschrieben: 06.08.2021 19:57 Aber diese Position "wir regeln soziales komplett rollenspielerisch, da wird nie gewürfelt", die habe ich noch nie verstanden.
Das hast du sicherlich nicht in meinen Posts gelesen. Falls doch, dann habe ich mich irgendwo unglücklich ausgedrückt und ich bitte um Verzeihung.
Dann bitte ich um Verzeihung, dass ich den zitierten Post von Dir überlesen habe. :censored:

Da habe ich wirklich ein ganzes Stück weit an dem vorbeigeschrieben, was Du gemeint hast. Ich hoffe, mein letzter Post taugt trotzdem irgendwie für die Diskussion, um bestimmte Ansätze, wie weit man das Thema verregeln will, mal komplett durchzudeklinieren.

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Ungelesener Beitrag von Gerwulf_Treublatt »

@Die dreiköpfige Echse von Nabuleth Ich denke, dass man den sozialen Bereich unabhängig von einer Gruppe auf jeden Fall, so wie andere Bereiche auch, regeln muss. *Im klassischen Sinne ist das, mehr oder weniger, auch kein Problem. Man steigert die Gesellschaftstalente, bekommt Zuschläge, würfelt anschließend die Probe und, das ist mir hier sehr wichtig, beachtet als SL nicht eventuelle darstellerische Fähigkeiten der würfelnden Person. Tritt Letzteres ein, hätten wir wieder die Diskussion, warum solche "Boni" eben nicht gut sind.
Im konkreten Bezug zu 4.1 halfen in meiner Gruppe auf jeden Fall die vermehrten Differenzierungen nach Kulturkunden: Beispielsweise nutzt ein Krieger mit Kulturkunde (Mittelreich) seinen TaW Menschenkenntnis nicht universell (heißt, ohne Mali) in jeder anderen Kultur.

Des Weiteren unterteilen wir in bestimmten Bereichen nach Herkunft (Sozialstatus) oder anderen Unterschieden:
Ein Streuner hat Boni bei Gleichgesinnten, aber auch zunehmende Mali beim Umgang mit höheren Schichten. Ich glaube, dass diese Regel irgendwo in WdS beschrieben wird, möchte aber anmerken, dass wir in praktisch jedem Bereich mit Hausregeln spielen.
Ebenso, und hier machen wir z. T. sehr detaillierte Unterschiede, ist zum Beispiel die Magiekunde einer Brabaker Magiers nicht mit der eines Donnerbachers zu vergleichen und schon gar nicht mit der von anderen Magietraditionen.
Während der Brabaker bei gleichem TaW merkliche Boni auf Dämonologie erhält, wird die Probe des Donnerbachers mit Abzügen versehen. Wir benutzen auch die Methode, dass bestimmtes Wissen z. T. unabhängig vom Talentwert genutzt werden kann. Der südaventurische Ureinwohner, der zwar erfahren ist (relevante TaW 12+), aber noch nie den nördlichen Sternenhimmel gesehen hat, wird deshalb auch eine Zeit lang Probleme damit haben, sich anhand der Sterne zu orientieren. Der junge Walfänger aus Paavi (TaW <10) hingegen wird sich auch bei schlechter Sicht (Mali aber starke Boni durch Herkunft) anhand des Nordhimmels orientieren können. In sehr seltenen Fällen wird ein Talentwert von vorneherein niedriger eingestuft, als er tatsächlich ist.

Dies mag hier zwar wie off-topic erscheinen, aber genau so verfahren wir in meiner Gruppe dann in der sozialen Interaktion am Spieltisch und in der Spielwelt selbst. Anhand solcher Beschreibungen können wir uns dann die Proben im gesellschaftlichen Bereich sparen. Jedoch werden wegfallende Proben mit einem Mehr an Aufwand erkauft. Die Charaktere müssen ziemlich detailliert ausgearbeitet sein und SL wie Spieler*innen müssen sie ziemlich gut "parat" haben. Ein "besseres" Spiel ist das deshalb noch lange nicht, es passt halt zu uns.

*Anmerkung deshalb, weil ich hier ausschließlich das nicht freie Rollenspiel beschreibe. Freie (Erzähl-)Rollenspiele gibt es in der Tat, jedoch wäre ich vorsichtig mit der Aussage: "Ist frei, weil ohne Regeln". Auch diese Rollenspiele haben Regeln, spätestens bei Kontakt mit der ersten Gruppe.
Ein vermeintlich einfacher Satz wie "Wir schreien uns nicht gegenseitig an, auch nicht zu darstellerischen Zwecken." ist bereits eine Regel, präzise eine Verhaltensnorm. Ebenso ist eine eventuelle Kostümierung, die man in der Gruppe während eines Spieleabends zu tragen hat eine Regel. Solche Regeln hängen natürlich nicht mit dem eigentlichen Spiel zusammen, aber (Stichwort soziale Interaktion; Verhaltensnorm) ohne kann Mensch dann doch wieder nicht.

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MoonDaughter
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Ich hoffe es ist okay hier zu antworten, ist ja schon paar Monate alt... Aber ich finde die Diskussion sehr spannend, mit vielen spannenden Argumenten.

Ich hab für "eher nein" gestimmt. Ich finde die vorhandenen Regeln für soziale Interaktion völlig ausreichend, das einzige was ich mir gelegentlich wünschen würde sind ein paar Sozial-Talente mehr für die genaue Ausdifferenzierung was der Charakter in dem Bereich gut kann und was weniger und ganz viel mehr Platz in der Sozial-Talent-Spalte auf dem Charakterbogen. Da passen ja jetzt schon nicht alle Sozial-Talente rein und ich kriege gewöhnlich nicht mal alle rein die mein Charakter kann. Teilweise ist die Spalte schon voll durch die von Rasse, Klasse, Profession vorgegebenen und es passt keine einzige mehr rein (ich spiele DSA 4.1). Das Problem hatte ich noch nie bei einer der anderen Talentkategorie. Was ich mir ebenfalls wünschen würde, wären mehr Vorteile und Nachteile für soziale Interaktion. Aber allgemein hab ich das Gefühl, dass es bei DSA sehr viele Vor/Nachteile nicht gibt, die eigentlich nötig werden um auch nur die aus Film, Fernsehen und Literatur bekannten Charakterkonzepte abzubilden.

Naja, jetzt zum Thema "wie wird soziale Interaktion ausgespielt oder gewürfelt, inwieweit hat das ausspielen einen Einfluss auf die Probe und wie wird mit Diskrepanz zwischen Spieler:innen-können und Charakter-können umgegangen.

Ich denke nicht, dass es da ein objektives richtig oder falsch gibt, gutes Rollenspiel ist mMn immer das, was der Gruppe am meisten Spaß macht. Deshalb würde ich einfach mal beschreiben, wie meine Gruppe das so macht und was da bisher gute Lösungen waren.

(im folgenden Absatz meint der Begriff "überzeugen" NICHT das Talent "Überzeugen")

Grundsätzlich wird bei uns soziale Interaktion ausgespielt, zumindest in dem Sinn, dass die Spieler:innen nicht nur sagen "mein Charakter versucht die Wache davon zu überzeugen, dass er hier sein darf" und dann auf Überreden gewürfelt wird, sondern die Spieler:innen schon sagen, was ihre Charaktere sagen. Natürlich wird zb ein OC-stottern nicht so interpretiert, dass der Charakter stottert, außer natürlich es ist klar kommuniziert, dass das gerade ein ausgespieltes stottern ist. Danach wird gewöhnlich gewürfelt, der Wurf soll aussagen, wie überzeugend das vom Charakter rübergebracht ist. Und ja, wenn die Lüge absolut plausibel ist und die Wache eigentlich keinen Grund hat das anzuzweifeln, wird die Probe tendenziell erleichtert, wenn sie eigentlich auf den ersten Blick absoluter Bullshit ist, tendenziell erschwert. Ich glaube das ist sogar RAW, zb Proben zu erschweren mit denen man jemanden etwas glauben machen will, was zb dessen Weltbild fundamental widerspricht. Und das finde ich soweit auch logisch, es braucht nunmal deutlich mehr rhetorische Skills um jemanden von etwas völlig absurdem zu überzeugen, als von etwas, dass eigentlich nahe liegt.

Es gab weiter oben den Vergleich mit zb Kampftalenten, bei denen ja auch niemand erwartet, dass Spieler:innen tatsächlich Ahnung von zb Schwertkampf haben, während bei der Lösung hier ganz offensichtlich erwartet wird, dass die Spieler:innen (und nicht nur die Charaktere) in der Lage sind sich ausreden auszudenken und auch die Problematik von stark voneinander abweichenden Charakter-Skills und Spieler:innenskills.

Erstmal zu dem Vergleich mit Kampf-Talenten: Naja, mit dem Bogen ein winzig kleines Ziel in 100 Meter Entfernung zu treffen ist nunmal erschwert im Vergleich zu, sagen wir mal, eine Wand in der selben Entfernung zu treffen. Den Vergleich finde ich sehr akkurat zu "jemandem etwas sehr naheliegendes glauben machen" und "jemandem etwas absolut absurdes glauben machen". Und ja, auch bei Kämpfen ist es so, dass OC-Fähigkeiten IC-Vorteile geben, in dem Fall die OC-Fähigkeit die Regeln gut zu kennen und strategisch sinnvoll anzuwenden. Wenn man konsequent ist mit "OC-Fähigkeiten dürfen keinen Einfluss auf IC nehmen", müssten auch Kämpfe mit einem einzelnen Wurf entschieden werden, alles andere ist bereits ein kleines Taktik-Spiel im Spiel. Das vergessen wir oft, weil wir dieses Spiel selbstverständlich alle gut beherrschen, aber ich werde da recht häufig dran erinnert, weil ich für genug Leute spiele, die viele Detailregeln nicht kennen und die halt beschreiben, wie sie zuschlagen und ich interpretiere dann, ob das regeltechnisch jetzt ein gezielter Angriff, ein Wuchtschlag oder eine Finte ist. Finde ich auch voll okay, es ist ja ein Rollenspiel und kein Tabletop. Von daher gibt es aus meiner Sicht keinen großen Unterschied zwischen "Spieler:in erzählt eine Ausrede und ich interpretiere ob das jetzt "etwas naheliegendes glauben machen" oder "etwas glauben machen, was dem Weltbild des NSC fundamental widerspricht" ist" und "Spieler:in beschreibt Angriff und ich interpretiere, ob das jetzt eine Finte, ein Wuchtschlag, ein normaler Angriff oder ein gezielter Angriff ist". Aber da ist mein Anspruch auch für Spieler:innen mit minimalen Regelkenntnissen zu leiten vielleicht auch nicht die Norm.

Wie auch immer, ja, Spieler:innen die die Regeln gut kennen, Ahnung von Wahrscheinlichkeitsrechnung haben und gut in Taktik-Mini-Games sind (nichts anderes sind die Kampfregeln) haben einen ingame-Vorteil in kämpfen. Und Spieler:innen die gut und kreativ im "sich spontan Dinge ausdenken und dann loslabern" sind haben Vorteile bei ingame-sozialer Interaktion. Trotzdem sind die Würfel und die Werte in keiner Weise irrelevant, gewürfelt wird ja trotzdem auf die Werte.

Und klar, wenn Spieler:innen partout nichts einfällt, obwohl ihrem Klugkeit 14, Intuition 14, Charisma 15-Charakter definitiv was einfallen würde, sag ich natürlich "hey, würfel doch mal und wenn der Wurf gut ist, geb ich paar Stichworte was denn hier ne gute Ausrede wäre". Umgekehrt sind die Spieler:innen so nett und hängen bei nem Patzer noch was richtig dummes an dem Satz an oder beschreiben, warum sie das gerade total verpatzt haben. So haben alle mehr Spaß. Ähnlich wie bei Wissens-Talenten. Da wird ja auch gewürfelt und dann kriegen die Spieler:innen Infos über die Welt, die ihre Charaktere haben, sie aber nicht.

Dann noch die Frage "wie wird mit Spieler:innen umgegangen die sich sozial inkompetente und nicht besonders kluge Charaktere bauen, aber trotzdem IC dann immer die beste Einfälle haben und alle über den Tisch reden?" Ganz einfach, denen wird klar gesagt "wenn du diesen Charakter hier nicht spielen willst, dann bau dir einen anderen". Leute die Charakter-Entscheidungen aus gamistischen Optimierungs-Gründen treffen wird bei uns ohnehin freundlich kommuniziert, dass das nicht wirklich unser Spielstil ist und vielleicht ne andere Gruppe sinnvoller ist, es sei denn es besteht Interesse daran mal einen anderen (eher Charakterplay-orientierten) Spielstil auszuprobieren. Genauso wie wir halt kommunizieren, dass oft stundenlang einfach nicht gekämpft wird und auch sonst nichts "vorwärts" geht und wenig gewürfelt wird, weil halt gerade die Charakter mehr miteinander interagieren, und, dass das ausspielen von geflirte (zwischen SC und NSC oder auch zwischen SCs) und bis zu einem gewissen Grad auch von Erotik in unserer Gruppe einfach dazu gehört. Es gibt ja zum Glück genug Gruppen, dass alle eine finden oder eröffnen können, die zu ihnen passt. Im Zweifel begeistert man ein paar neue Leute fürs Hobby.

Grundsätzlich hat meine Gruppe auch einfach zu viel Spaß daran zb soziale Unbeholfenheit auszuspielen, als dass das irgendwie missbraucht wird. Und bestimmte Dinge an denen man keinen Spaß hat werden halt nicht erstellt. Ich erstelle mir zb keinen Charakter unter Klugheit 12 mehr, weil ich einfach merke, dass es mich nervt, Ideen die ich habe nicht einbringen zu dürfen. Aber ich habe inzwischen eh rausgefunden was für Charakterkonzepte mir liegen und das sind nunmal solche mit viel Charisma und Logik die körperlich auch mal ziemlich schwächeln.

Noch zu dem Punkt, dass Spieler:innen sich betrogen fühlen könnten, weil sie soziale Interaktion noch ausspielen müssen, obwohl sie dafür Punkte ausgegeben haben: Ich würde es eher als umgekehrt empfinden. Ich habe jetzt echt viele Punkte ausgegeben für Charisma 14+ und entsprechende Talente. Ich habe das gemacht, weil ich Spaß an sozialen Situationen und dem spielen von sozial kompetenten und ein Stück weit manipulativen "Faces" habe. Dafür halte ich mich jetzt in Kämpfen eher zurück. Und jetzt darf ich nicht mal mehr die soziale Interaktion für die ich den Charakter gebaut und liebevoll ausgearbeitet habe ausspielen sondern einfach nur einmal würfeln? Ich glaube da würde ich mich ein bisschen betrogen fühlen.

Naja, soviel zum persönlichen Umgang meiner Gruppe mit dem Thema.

Zuletzt noch zu einem Punkt, der hier bisher nicht angesprochen wurde und für den meine Gruppe noch keine vollständige Lösung gefunden hat: Wie geht ihr eigentlich mit sozialer Interaktion zwischen SCs um? Lasst ihr da auch würfeln?
Meiner Einschätzung nach passieren die meisten Fehlannahmen und Missverständnisse bezüglich Aventurien durch die Grundannahme, dass Aventurien irgendetwas mit dem irdischen Mittelalter zu tun hat.

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MoonDaughter hat geschrieben: 24.11.2021 13:55 Zuletzt noch zu einem Punkt, der hier bisher nicht angesprochen wurde und für den meine Gruppe noch keine vollständige Lösung gefunden hat: Wie geht ihr eigentlich mit sozialer Interaktion zwischen SCs um? Lasst ihr da auch würfeln?
Kommt vor, ist aber selten. Es obliegt dann grundsätzlich der Entscheidung des Spielers derjenigen Figur, die z.B. überredet werden soll, ob eine Probe dafür verlangt wird oder ob das ohne Probe ausgespielt wird. Meist geschieht Letzteres. PvP gibt es bei uns allerdings nicht und selbst Konflikte zwischen SCs sind sehr selten, so dass die Interaktion zwischen SC fast ausschließlich gutmütiger Natur ist.

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Ungelesener Beitrag von MoonDaughter »

pmd hat geschrieben: 24.11.2021 17:17 Kommt vor, ist aber selten. Es obliegt dann grundsätzlich der Entscheidung des Spielers derjenigen Figur, die z.B. überredet werden soll, ob eine Probe dafür verlangt wird oder ob das ohne Probe ausgespielt wird. Meist geschieht Letzteres. PvP gibt es bei uns allerdings nicht und selbst Konflikte zwischen SCs sind sehr selten, so dass die Interaktion zwischen SC fast ausschließlich gutmütiger Natur ist.
Spannend. Bei uns gibt es auch kaum PVP (aber kann schon mal vorkommen wenn Konflikte eskalieren, Konflikte gehören bei uns zu gutem Charspiel dazu und wir können da gut zwischen IC und OC trennen), aber trotzdem häufig die Situation von sozialen Proben untereinander. Die werden aber nicht genutzt um Charaktere zu etwas zu bringen, das ist zumindest so die aktuelle nicht wirklich ausgesprochene Vereinbarung, aber wir haben da noch nicht wirklich unsere optimale Lösung gefunden. Ein Beispiel aus unserer letzten Runde:

Es gibt eine mit OC-Wissen offensichtliche Lösung für ein Problem. SC1 hat das Wissen dafür auch ingame, allerdings wirkt die für die anderen SCs so absurd und lebensmüde (weil ihnen eben IC-Wissen fehlt), dass die da nicht wirklich mitmachen würden, so lange kennen und vertrauen sie SC1 jetzt auch nicht. OC ist allen klar, dass das die sinnvollste Lösung wäre. Also bitten die anderen Spieler:innen die Spielerin von SC1 auf Überreden zu würfeln um ihre Chars auch IC davon zu überzeugen.

Sonst wird bei kleineren Lügen zwischen SCs immer mal wieder gewürfelt, ob die geglaubt werden (zb bei ungeouteten Phex-Geweihten). Und dann gibt es noch die spannenden Dramen, in denen der Antagonist gegen einen SC ein starkes Druckmittel in der Hand hat und deshalb der die anderen belügt, gegen seinen Willen und natürlich irgendwie hofft, dass ihm nicht geglaubt wird.

Ein anderes Beispiel sind SCs, die versuchen auch voreinander ihre Gefühle zu verbergen, zum Beispiel um mit ihrer eigenen Angst und Unsicherheit nicht auch die restliche Gruppe zu entmutigen oder zu verunsichern.

Aber meist ist die Situation tatsächlich so, dass ein SC versucht einen anderen von etwas zu überreden/überzeugen oder diesen versucht anzuflirten oder zu beeindrucken und der:die Spieler:in des angesprochenen SCs um einen entsprechenden Wurf bittet, so mit der Haltung "der Wurf zeigt mir, wie gut das IC rübergebracht wird, wie mein SC reagiert entscheide selbstverständlich trotzdem ich. Also ganz im Sinne von dem oben geschilderten "der Wurf sagt aus, wie gut das ganze rhetorisch etc rübergebracht ist, aber nicht zwangsläufig ob damit ganz genau das gewünschte gelingt".

Aber wie gesagt gerade bei dem ganzen "wie viel wird gewürfelt bei Dingen, die ausschließlich zwischen SCs passieren" (egal ob soziales, Kampf...) sind wir noch bisschen dabei unseren idealen Weg zu finden und noch lange nicht am Ziel.
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Ungelesener Beitrag von Jeordam »

MoonDaughter hat geschrieben: 24.11.2021 13:55 Zuletzt noch zu einem Punkt, der hier bisher nicht angesprochen wurde und für den meine Gruppe noch keine vollständige Lösung gefunden hat: Wie geht ihr eigentlich mit sozialer Interaktion zwischen SCs um? Lasst ihr da auch würfeln?
Prinzipiell ja. Wobei das eine reine Spielergeschichte ist. Erschwernisse und ob überhaupt gewürfelt wird usw. liegen ganz definitiv und explizit betont bei dem angespielten Spieler.
Für alle meine Aussagen bezüglich des Kampfsystems von DSA 4 gelten folgende Axiome:
1. Ein professioneller Kämpfer kann die in seiner Ausbildung gelernten Sonderfertigkeiten sinnvoll einsetzen.
2. Die Stochastik von DSA-Würfelergebnissen entspricht der Stochastik gleichverteilter Würfel.

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Kendor hat geschrieben: 28.07.2021 11:27 Gefühlt ist es ja bei den meisten Runden so, dass ein Dialog ausgespielt wird und dann noch ein einzelner (vegleichener) Wurf kommt, der bestimmt, wie überzeugend das denn jetzt war. Der Dialog vorher hat dabei oft einen Einfluss auf den Wurf in Form von Boni oder Mali.
Übertragen auf das Kampfsystem würde das bedeuten: Ich beschreibe den Kampfverlauf oder eine Kampfaktion und dann entscheidet ein einzelner (vergleichender) Wurf, wie gut das funktioniert. Die Beschreibung vorher hat dabei einen Einfluss auf den Wurf.
Das wiederum ist - sicher nicht nur gefühlt - keine verbreitete Praxis, das von Kendor beschriebene aber schon, wie ich ebenfalls denke. Es ist gewissermaßen die intuitive Option (auch angesichts der Vorgaben im Spielsystem, respektive den Spielregeln, wenn man es mechanistisch ausdrücken will).
Dass die Spielpraktiken sich in den beiden Gebieten derart unterscheiden, hat - neben dem umfangreich verstrebten sowie detailliert ausgearbeiteten Kampfsystem innerhalb des Regelwerks gegenüber allenfalls rudimentären Sozialregeln (anders als bspw. in SIFRP - oder wie auch immer eine generische Variante davon lauten mag), kurz gesagt: neben den in den Spielregeln angelegten (und hier auch schon diskutierten) Gründen - seine Ursache sicher auch in der eher theatralischen bzw. (im gattungstypologischen Sinne) dramatischen Anlage von P&P als Rollenspiel.
Die Konstellation ist grundsätzlich eher dialogisch, d.h., die gesprochenen Texte (gemeint sind hier zusammenhängende Aussagen jeder Art) sind häufiger Figurenrepliken, also wörtliche Reden von Spielfiguren, weniger häufig epische, also erzählende oder beschreibende Ausführungen. Das gilt nicht nur quantitativ, sondern sicher auch qualitativ: Den dialogischen Texten, z.B. einem Gespräch zwischen den SC untereinander oder zwischen einem oder mehreren SC mit einem oder mehreren NSC, werden mehr Bedeutung (für den Spielspaß, das Rollenspielerlebnis) beigemessen als Beschreibungen, die bis zu einem gewissen Grad schlicht notwendig sind, sofern einzelne Spieler nicht vielleicht gerne Szenen/Aktionen damit ausschmücken. Da mag es eine Varianz nach Präferenzen (und natürlich auch sehr gelungene Ad-hoc-Beschreibungen, Vorlesetexte u.Ä.) geben, aber - und das ist der entscheidende Punkt - epische Texte sind in ihrer szenischen Ausführung sehr viel eher Soloprojekte mit deutlichem Produzent-Rezipient-Verhältnis; dramatische Texte sowie P&P-Rollenspiel sind es in ihrer szenischen Ausführung nicht, sondern - sofern bei letzterem praktischerweise kein Skript (jenseits von auslegbaren Wert-/Eigenschaftsregulativen) vorliegt, also meistenteils improvisiert wird (wir es also, will man sich der Theatersprache bedienen, am ehesten mit Improvisationstheater zu tun haben) - sie weisen einen starken interaktiven Charakter auf.

Der erwünschten (hohen) Interaktivität eines ja grundsätzlich kreativ kooperativ gestaltend angelegten Spiels entsprechen freie Dialoge eher als freie Beschreibungen/Erzählungen bzw. können - umgekehrt - rein beschreibende Spielaspekte leichter mechanisch, mithin spieltechnisch (z.B. vermittels Würfel und Werteabgleich) abgehandelt werden, ohne dass der gewünschte hohe Interaktionsgrad darunter leidet. Für Dialoge gilt das weniger, insofern Werte oder Würfelwürfe dann die freie Darstellungsoptionen, also den kreativ gestaltenden Charakter, grundsätzlich einschränkt - und zwar graduell umso mehr, je strenger der Zusammenhang zwischen Werten und Würfelergebnissen auf die konkrete Darstellung ausgelegt wird.
Anders ausgedrückt: Je mehr eine Spielgruppe Wert auf das freie und kreative Ausgestalten ihrer Figurenrepliken und ihre Bezogenheit auf die Repliken anderer Figuren legt, desto weniger wird sie sich darin einschränken wollen, z.B. durch Voraussetzungen, die durch Werte/Würfelwürfe determiniert werden. Die grundsätzliche Bestimmtheit, etwa durch die gewählte (!) Rolle kann hier argumentativ nicht greifen, denn Spieler entscheiden sich i.d.R. bewusst dafür, den Bettler und nicht den Ritter zu spielen, ohne den Bettler als Ritter spielen zu wollen. Der Determinationsgrad ist hierbei also sehr viel niedriger, als es etwa folgendes Probenergebnis suggerieren würde: Du bist mit -3 Punkten (als abstrakte Werteinheit) unterlegen, spiele das Gespräch (inkl. folglich weniger stichhaltiger bzw. überzeugender Argumentation) bitte entsprechend aus.
Und das ist noch kein hoher Regulierungs- bzw. Interventionsgrad, wie er in Kämpfen (und das ist ja der diskutierte Vergleichspunkt) mit ihren zahlreichen Würfelwürfen und Wertorientierungen vorliegt. Dann könnte (zugespitzt, aber durchaus folgerichtig gedacht) jede Replik - in einem Streitgespräch z.B. jeder Beitrag der schnellen Wechselrede - einen Angriffs- und Verteidigungswurf bedeuten, der dargestellt werden müsste oder eben - wie viele Angriffs- und Verteidigungswürfe im Kampf - einfach (mechanistisch) abgehandelt würde.
Mit Sicherheit gibt es einen Intermediär, der den gewünschten Grad - am besten variabel: sowohl je nach Spielstil als auch nach Gesprächsart/konkreter sozialer Situation (etwa: schnelles Abhandeln eines beiläufigen Gesprächs, "Bosskampf"-Rededuell, tiefgreifende emotionale Auseinandersetzung, langfristige Manipulation, diplomatischer Kongress zwischen Gesandten etc.) - der Gebundenheit von Darstellung und Werten bietet.

In unserer Runde (und mit unseren eigenen Regeln) halten wir es so, dass tendenziell eine vorab abgelegte (mitunter vergleichende) Probe die Darstellung des Gesprächs bestimmt. Bei längeren/wichtigeren sozialen Auseinandersetzungen können das auch mehrere Proben sein. Solange - das wäre das Argument der Handhabe - es konkrete Werte in sozialen Fertigkeiten gibt, die konkrete Steigerungspunkte kosten, sollte auch ein konkreter Nutzen sichtbar sein.
Die Darstellung eines misslungenen Gesprächs kann übrigens auch ganz hervorragend sein und hat - da schließe ich mich dem hier schon umfangreich ausgeführten Standpunkt - einen Selbstzweckwert für das Rollenspiel, der - um als solcher gewahrt bleiben zu können - aus meiner Sicht zwingend von konkretem Spielnutzen zu entkoppeln ist. Gemäß dieser Betrachtungsweise würden Werte und Regeln tendenziell zwar die Spielsituation bzw. die konkrete Konstellation vorgeben (z.B. eine absolut überzeugende Brandrede; eine völlig missglückte Ausrede; eine nicht durchschaute Lüge; ein Versprecher an der falschen Stelle), aber die performative Umsetzung derselben stünde den Spielern frei.
Ebenso könnte es sogar freistehen, ob das (z.B. knappe oder völlige) Scheitern in der sozialen Herausforderung nun einem Versprecher, einem gestischen oder mimischen Fehlgriff, einer zu dreisten Lüge oder einer zu offensichtlichen Schmeichelei zu verschulden ist. Das erhöht nochmals den Grad der kreativen Ausgestaltung, indem nur der Erfolgsgrad mechanistisch an Werten und Proben ermittelt wird. Das erscheint mir als sehr sinnvoller Kompromiss in der Abwägung zwischen freiem Rollenspiel einerseits und der Einbindung von Spielregeln, Spielwerten und darauf fußenden Proben andererseits.

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MoonDaughter hat geschrieben: 24.11.2021 13:55 Wie geht ihr eigentlich mit sozialer Interaktion zwischen SCs um? Lasst ihr da auch würfeln?
Was bei uns sehr gut funktioniert ist:
Spieler dürfen die sozialen Talente auch auf andere Helden anwenden, aber die Spieler dieser Helden geben die nötige Erschwernis vor. Damit können sie dann selber bestimmen, inwieweit sie die Kontrolle über ihren Helden abgeben.
Beispiele:
1) Der Plan ist wirklich blöd, aber vielleicht kannst du mich ja überreden trotzdem mitzumachen. Überreden +5?
2) Dein Hexer will meine Alrike, die traviafromme Ehefrau zum Seitensprung überreden? Klar, mach mal betören +40 :rolleyes:
3) Mein Söldner soll dich dabei unterstützen für gerade mal 2 Dukaten? Sagen wir Überreden +3, aber -1 Erleichterung für jeden zusätzlichen Dukaten den du mir dafür bietest :wink:
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WeZwanzig hat geschrieben: 26.11.2021 11:00 Was bei uns sehr gut funktioniert ist:
Spieler dürfen die sozialen Talente auch auf andere Helden anwenden, aber die Spieler dieser Helden geben die nötige Erschwernis vor. Damit können sie dann selber bestimmen, inwieweit sie die Kontrolle über ihren Helden abgeben.
Beispiele:
1) Der Plan ist wirklich blöd, aber vielleicht kannst du mich ja überreden trotzdem mitzumachen. Überreden +5?
2) Dein Hexer will meine Alrike, die traviafromme Ehefrau zum Seitensprung überreden? Klar, mach mal betören +40 :rolleyes:
3) Mein Söldner soll dich dabei unterstützen für gerade mal 2 Dukaten? Sagen wir Überreden +3, aber -1 Erleichterung für jeden zusätzlichen, Dukaten den du mir dafür bietest
Das gefällt mir richtig gut und ich werde es direkt meiner Gruppe vorschlagen.
Meiner Einschätzung nach passieren die meisten Fehlannahmen und Missverständnisse bezüglich Aventurien durch die Grundannahme, dass Aventurien irgendetwas mit dem irdischen Mittelalter zu tun hat.

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